Die Credit Suisse steht im Verdacht, Detektive auf einen ihrer Manager angesetzt zu haben. Die Wirtschaftswoche befragte Klaus-Dieter Matschke, wie weit Konzerne gehen dürfen – und wie weit er selbst bei der Überwachung geht. Das Interview im Wortlaut.
Herr Matschke, die Credit Suisse hat offenbar einen ihrer Top- Banker von Detektiven beschatten lassen. Kommt es in der Schweiz und in Deutschland häufiger vor, dass Konzerne abtrünnigen Managern nachspionieren?
Prinzipiell ist dieser Fall mit extrem vielen Fragezeichen verknüpft. Eine dieser Fragen ist, durch wen die Beschattung des Managers überhaupt erfolgt ist. Ich habe in meiner 40-jährigen Berufserfahrung beim Bundesnachrichtendienst und als Privatermittler jedenfalls noch nie eine derart dilettantische Observation erlebt, bei der drei Männer in einem Auto dem Observierten nachfahren und dadurch entdeckt werden. Zum ersten werden Observierte nur in Ausnahmefällen direkt mit dem Auto verfolgt. Meist passiert das mittels Peilgeräten. Und selbst wenn Ermittler ein Auto direkt verfolgen, sitzen nie mehr als zwei Leute im Verfolgerauto. Man braucht einen Observanten zum Lenken des Autos und einen, der schnell zu Fuß die Verfolgung aufnehmen kann, etwa falls der Observierte parkt. Eine dritter Mann ist in jedem Fall nutzlos. Auf so eine Idee zur Observation kann nur eine Laienspielgruppe kommen.
Aber wer könnte den Manager beschattet haben, wenn nicht private Ermittler?
Denkbar ist vieles. Es gibt etwa viele Sicherheitsdienste, die behaupten, sie könnten Observationen durchführen. Wenn so ein privater Dienst etwa bereits einen Überwachungsauftrag für das Unternehmen hat, ist es denkbar, dass dieser private Dienst mit einer Observation betraut wird. Dann könnte so eine Minderleistung herauskommen wie im Fall Khan. Es gibt aber ein verlässliches Mittel, um herauszufinden, wer den Manager beschattet hat. Man muss dazu nur das Kennzeichen des Observanten wissen. In der Schweiz lässt sich der Name des Halters über eine einfach Anfrage ganz legal und unkompliziert ermitteln.
Was lässt sich denn mit einer derartigen Beschattung des Wagens überhaupt herausfinden?
Wenn der Verdacht im Raum steht, dass dieser Mitarbeiter womöglich Großkunden des alten Arbeitgebers abwerben will, dann lässt sich mittels einer Observation natürlich Näheres dazu in Erfahrung bringen. Leider gibt es oft kein anderes Mittel als die Observation, um über ein mögliches Fehlverhalten von Mitarbeitern genauere Erkenntnisse zu erlangen.
Darf ein Unternehmen seine Mitarbeiter denn so einfach beschatten lassen?
Warum sollte ein Unternehmen das nicht dürfen? Wenn ein begründeter Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt, kann ein Unternehmen diese Maßnahme ergreifen. Häufig ist eine solche Straftat die Verwendung fremder Geheimnisse. In diesem Fall könnten etwa die Kunden der Bank, die der Manager verlässt, dieses Geheimnis darstellen. Als Grundregel gilt aber immer: Der Zweck heiligt niemals die Mittel. Wenn jemand illegal observiert, könnte er ohnehin keinen Nutzen daraus ziehen. Denn illegal zutage beförderte Beweise lassen sich vor Gericht nicht verwenden.
Observieren Sie selbst regelmäßig Mitarbeiter von Firmen?
Lassen Sie es mich so sagen: Es gibt oft keinen anderen Weg als die Observation, um festzustellen, ob jemand Betriebsgeheimnisse stiehlt. Gerade im Maschinenbau erleben wir das Phänomen der Industriespionage sehr häufig. Und es gibt Fälle, in denen wir ausgeschiedene Mitarbeiter sehr genau beobachtet haben, ob sie etwa geheime Unterlagen mitgenommen haben und diese für ihre Zwecke verwenden.
Und wie oft kommt es nun vor, dass Firmen ihren Managern hinterherschnüffeln?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass der aktuelle Fall ganz bestimmt kein Einzelfall ist.
Wirtschaftswoche vom 26. September 2019