Innentäter

„Innentäter“: Wenn die Mitarbeiter zur Gefahr für das Unternehmen werden

Ein Fall aus der Praxis: Eine Unternehmerin wandte sich an das KDM-Team. Ihr Betrieb – Metallbranche, rund 200 Beschäftigte, tief im Süden Baden-Württembergs gelegen, – sei in seiner Existenz bedroht, sagte sie. Es gebe weniger Aufträge als erwartet, aber das sei nicht der alleinige Grund. Sie vermute, dass Mitarbeiter auf Kosten der Firma eigene Geschäfte machen, der Schaden könne durchaus in die Millionen gehen.

Die Masche ist bekannt und funktioniert vereinfacht so: Mitarbeiter in der Einkaufsabteilung und Lieferanten lernen sich mit der Zeit immer besser kennen. Sie vereinbaren einen Deal: Der Mitarbeiter erlaubt dem Lieferanten, seine Preise zu erhöhen, moderat, damit es nicht auffällt, die Masse macht’s schließlich. Der Lieferant kann ordentliche Gewinne einstreichen, von dem der Mitarbeiter in der Einkaufsabteilung etwas abbekommt. So profitieren beide, und keiner merkt etwas. Für das Unternehmen steigen allerdings die Kosten…

Wenn der Verdacht besteht, dass in der Einkaufsabteilung solche kriminellen Geschäfte abgewickelt werden, ist Eile geboten! Das weitere Vorgehen will dann gut durchdacht sein:

Theoretisch kann man mittels spezieller Software die Stammdaten von Mitarbeitern und Lieferanten abgleichen. Gibt es auffällige Buchungen, landen beispielsweise unrechtmäßig Gelder auf den Konten des Mitarbeiters, fällt das schnell auf. Oder wenn die Adressen von Mitarbeiter und Lieferant identisch sind. Oder wenn Buchungen zu ungewöhnlichen Zeiten erfolgen. Oder wenn Geld auf selten genutzte Konten überwiesen wird…

Natürlich können wir die Mitarbeiter auch in ihrem privaten Umfeld überprüfen: Leisten sie sich Dinge, die mit einem normalen Gehalt nicht möglich wären? Ein großes Auto? Kleidung von teuren Modelabels? Eine unverschämt teure Armbanduhr? Urlaubsreisen in ferne Länder? Lässt sich alles herausfinden…

Mittels einem umfassendem Mitarbeiter-Screenings werden „schwarze Schafe“ zuverlässig erkannt. Aber aufgepasst: Ein systematischer Abgleich von Mitarbeiter- und Lieferantendaten ist ebenso unzulässig wie eine verdachtsunabhängige Observation.

Im genannten Fall haben wir bei KDM auf die Expertise von Fachleuten zurückgegriffen, mit denen wir seit vielen Jahren regelmäßig zusammenarbeiten: Wir haben einen Wirtschaftsprüfer hinzugezogen, der sich am Computer durch die endlose Zahlenkolonnen des Unternehmens klickte. Wir haben einen Fachanwalt hinzugezogen, der sich mit Themen wie Corporate Governance und Compliance auskennt und die Richtlinien und Standards im Unternehmen genau unter die Lupe nahm. Wir haben einen Strafrechtler und auch einen Arbeitsrechtler „in Bereitschaft versetzt“, man weiß ja nie, welche Fragen so ein Fall aufwirft…

Und nicht zuletzt haben wir einen Medienexperten hinzugezogen, der die Kommunikation steuerte: Maßnahmen und Veränderungen sollten bei Bedarf angemessen übermittelt werden, intern wie extern: Reputationsschäden, in so einem Fall leicht möglich, sollten auf jeden Fall vermieden werden.

Das KDM-Team durchleuchtete die Geldflüsse, überprüfte sie auf Schwachstellen – und wurde relativ schnell fündig. Die nach nachgewiesenen Verstößen unumgängliche Trennung von zwei Mitarbeitern der Einkaufsabteilung wurde rechtlich einwandfrei und ohne großes Aufsehen durchgesetzt. Über eine digitale Mitarbeiter-Information wurden die Vorgänge, soweit erforderlich, für jeden verständlich dargestellt und nachvollziehbar erklärt.

Gleichzeitig hat das KDM-Team im engen Zusammenwirken mit der Unternehmensleitung einen verbindlicher Orientierungsrahmen geschaffen, der helfen soll, Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben, unternehmensinterne Richtlinien und vertragliche Kundenanforderungen zu verhindern oder zumindest frühzeitig zu erkennen. Die Compliance-Richtlinien wurden komplett überarbeitet, Wertgrenzen für die Zulässigkeit von Geschenken, Einladungen oder sonstigen Zuwendungen im Umgang mit Geschäftspartnern klar definiert.

Auch ein rechtlich „sauberer“ Verhaltenskodex für Lieferanten und Geschäftspartner wurde mit Unterstützung des KDM-Teams „vor Ort“ definiert, mit dem klaren Ziel, dass künftig bei jeder Zusammenarbeit internationale Sozialstandards, Umweltnormen, das Gesetz zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette sowie die Grundsätze der Internationalen Arbeitsorganisation ILO eingehalten werden.

Innentäter richten immense Schäden an

Was ich mit diesem Beispiel sagen will: Wir reden derzeit viel über Wirtschaftskriminalität durch Hackerangriffe aus Russland, China und anderen Ländern. Dabei gerät schnell in Vergessenheit:

Mehr als die Hälfte der Täter sind sogenannte „Innentäter“. Kriminelle Mitarbeiter stellen zugleich das wesentlich teurere Risiko dar: Sie sind für fast drei Viertel der finanziellen Schäden verantwortlich. Die Bandbreite ist groß: Es fängt mit kleinen Diebstählen an und reicht bis zur digitalen Sabotage von Informations- und Produktionssystemen. 

In einem Bericht aus der kriminalistisch-kriminologischen Forschung des Bundeskriminalamtes („Innentäter in Unternehmen“) fand ich diesen Satz: „Zwei Drittel der geschädigten Unternehmen (68%) gaben an, durch insbesondere ehemalige oder eigene derzeitige Mitarbeiter (7%) geschädigt worden zu sein. ,Damit bleibt der mit Abstand größte Täterkreis im eigenen Haus.‘ Die Tatgelegenheit wird überwiegend während der aktiven Mitarbeit geschaffen.“

Es sind nicht nur die „kleinen Mitarbeiter“, die lange Finger machen, ganz im Gegenteil: In einer Analyse einer Versicherung ist das Profil der typischen Innentäter ziemlich gut beschrieben. Es handelt sich in der Regel um Männer „zwischen 40 und Mitte 50, gebildet, in gehobener oder leitender Position im Finanzbereich und seit mindestens zehn Jahren im Betrieb tätig. Durch ihre lange Betriebszugehörigkeit genießen sie hohes Vertrauen und kennen alle Lücken in den Kontrollsystemen. Sie schlagen selten zu, richteten aber oft hohe Schäden an“.

In der Metallfirma haben wir übrigens erlebt, dass das Täterprofil nicht immer passt: Die Leitung der Einkaufsabteilung lag in den Händen einer Frau. Sie war die Haupttäterin…

Der Firma geht’s zum Glück wieder gut, was sicher vor allem an einer Neuausrichtung der Geschäfte liegt, aber vielleicht auch daran, dass man dem Einkauf seit dem KDM-Einsatz sehr viel stärker auf die Finger schaut. Die Kosten konnten deutlich gesenkt hat.

Bevor sich mein Team wieder aus dem Unternehmen zurückgezogen hat, haben wir noch einige Maßnahmen empfohlen, an deren zügiger Umsetzung die KDM-Experten erfolgreich mitwirkten: Heute gibt es regelmäßige Routinekontrollen und immer wieder auch Audits durch Externe. Und ganz wichtig: Die Führungskräfte werden regelmäßig geschult: Sie müssen – das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wird aber im Alltagsstress häufig vergessen – die internen Richtlinien aus dem Effeff kennen und Sensibilität für kritische Situationen entwickeln.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, kontakten Sie mich gerne (hier).